17.-27. April, Passage nach Kapstadt, Bordleben und Schiffsaufbau
Nachdem wir Tristan verlassen haben, ist es ruhig an Bord geworden. Jedem ist bewusst, dass wir nun wahrscheinlich ohne weitere Segel-Höhepunkte dem Ende unserer Reise entgegen fahren.
Bücher, die noch nicht gelesen wurden, werden jetzt hervorgeholt. Arbeiten, die vor sich her geschoben wurden, kommen notgedrungen an die Oberfläche. Die touristische Vorbereitung für Südafrika beginnt. Foto-Shows von vergangenen Reisen lassen schon die Träume für den nächsten Urlaub schweifen.
Ein Gastvortrag erklärt endlich auch, was den meisten Menschen bisher ein Rätsel blieb. Wie Segel funktionieren, wann man die dreieckigen Stagsegel und wann die viereckigen Großsegel setzt, warum ein Segelboot weniger im Wind driftet als man es erwarten würde und warum man keine Sorge vor dem Kentern haben muss. Viele hätten diesen Vortrag wahrscheinlich gern schon vor den Wellen der Antarktis gehört.
Zum Abschied wird auch das Wetter immer besser. Langsam kommt es dem Reisekatalog nahe, den man vor so langer Zeit das erste Mal träumend durchstöberte. Die Wasser werden ruhiger, mehr und mehr Segel zieren das Schiff und die Sonne zaubert erste Frühlingsfarbe ins Gesicht.
Auch die Nächte werden wärmer und während der Nachtwachen reicht inzwischen eine dünne Jacke um den Mondschein zu genießen. Im Dunkeln blitzt und funkelt hinter dem Boot das Plankton im Wasser, als würde es sich beschweren, dass wir es gerade überfahren haben.
unter der Wasserlinie – im Bauch der Bark
Unter den Füßen der Gäste schlägt das Herz des Schiffes und liegen seine Eingeweide. In diesen Tagen lädt auch der technische Offizier in sein Reich. Verborgen vom täglichen Blick war hier zu Beginn der Reise noch ein undurchdringliches Dickicht von Ersatzteilen und Essensvorräten. Inzwischen kann man sich zumindest beengt entlang der schmalen Gänge hangeln.
Direkt über dem Kiel des Schiffes und bereits tief unter der Wasserlinie wird sofort klar, wie sehr sich die Europa trotz ihres Alters von einem historischen Segler unterscheidet.
Das Heck des Schiffes ist fast bis zur Mitte für Kraft und Energie reserviert. Zu beiden Seiten drehen sich dicke Antriebswellen, welche die Schiffsschrauben bei Windstille mit Kraft versorgen. Zwei schwere Schiffsdiesel und ihre Generatoren fangen diese Wellen in der Mitte des Rumpfes auf.
Rundherum dicht gestopft drängen sich Tausende Rohre, Schläuche, Tanks und Ventile. Diesel, Wasser und Öl für Kühlungen, Löschanlage, Generatoren, Pumpen und Motoren. Hier unten im Reich aus Stahl sieht der Dreimaster eher wie ein U-Boot aus. Vieles wurde über die Jahrzehnte nachgerüstet für eine sichere und bequemere Fahrt.
In der Mitte des Schiffes liegen dichtgepackt nochmals Rohre, Schläuche, Ventile und Behälter. Diesmal zum Nutzen der Hygiene an Bord. 3000 Liter Wasser verbrauchen die 50 Menschen an Bord jeden Tag. Hier wird diese Menge von der Wasseraufbereitungsanlage aus Meerwasser produziert, gesammelt und ins ganze Boot verteilt.
Abwässer werden abgeholt und wieder „eingelagert“, bis sie auf hoher See oder in einem Hafen entsorgt werden dürfen. Bleibt nur zu hoffen, dass diese Rohre nie undicht werden.
In die wenigen freien Ecken, die Tanks und Schläuche gelassen haben, quetschen sich wartend gefüllte Müllsäcke aus inzwischen 40 Tagen auf See.
Nur ein Schott weiter vorn beginnt das Reich der Küche. Selbst fast am Ende der Reise erscheinen die Kühlschränke, Tiefkühler und Warenlager jetzt noch vollgestopft. Wie muss das am Anfang der Reise ausgesehen haben? Wie finden Köchin und Gehilfen was sie suchen, wenn sie sich in den ersten Tagen weder durch die Gänge bewegen, noch in die Regale sehen können?
Dieses Warenlager und die vorderste Kammer im Bug trennt eine dicke Wand. Etwa wie beim Auto die Knautschzone soll diese Wand bei Kollisionen mit Schiffen, Felsen oder Eisbergen verhindern, dass Wasser in den Rest des Rumpfes bricht. Der Raum weiter vorn wird dem Wasser preisgegeben.
Dort in der engen Spitze des Buges liegt nur noch die Ankerkette. Jedes Mal, wenn langsam der Anker gehoben wird, steigt ein Mitglied der Crew hinab und legt die tonnenschwere, schlammig duftende Kette Glied für Glied sauber in der Kammer aus. Nur so passt die gesamte Kette in die Kettenkammer und nur so kann sie das nächste Mal wieder problemlos auf Grund gelassen werden.
Den Boden aller dieser Räume bedeckt eine schwere Schicht aus Beton. Bis zu einem halben Meter dick ist der gesamte Bootsrumpf damit aufgefüllt. Das Gewicht wird benötigt um dem Boot bei Wind und Wellen Stabilität zu geben. Was in den historischen Segelschiffen große Steine machten, erledigt heute ein graues unscheinbares Fundament.