12.März, Drakestraße 3.Tag

Gepostet am Dez. 20, 2013

12.März, Drakestraße 3.Tag

Noch immer Windstille. Noch immer unendliches Wasser. Endlich lichten sich die Nebel aus Kopfschmerz und Übelkeit.

Erst jetzt nach ein paar Tagen beginnt man, die Weite dieses Ozeans zu begreifen. Schon im antarktischen Sommer sind die Schiffe so weit im Süden selten, doch jetzt im beginnenden Herbst ist die See hier praktisch menschenleer. Auf etwa der Fläche von Deutschland sind wir eine einzelne Insel aus 56 Meter Holz und Stahl.

Klettern auf die Masten der Bark Europa

Klettern auf die Masten der Bark Europa

Die Jahrtausende alte Technik der Segel treibt uns vorwärts, während High-Tech unsere Reise komfortabel macht. So sind auch E-Mails an Bord kein billiges, aber ein machbares Vergnügen. Eine dicke Antenne am Heck sendet direkt an die Iridium-Satelliten über uns. Wer beim Senden aus Versehen seine Hand an die Antenne legt, spürt die Kraft der Stromschläge unmittelbar. Und die Nadel des alten Messing-Kompasses am Steuerrad schüttelt sich in diesen Momenten, als sträube sie sich gegen die neumodischen Kollegen.

Im glasklaren Wasser gleitet währenddessen ein kleiner Zwergwal längsseits und beäugt das Boot. Es ist einer der Momente, die diese Reise unvergleichlich machen. Klarer als im Schwimmbad sieht man diesen jungen Koloss mit seiner weißen Unterseite, seinem flachen Kopf und seinen großen Augen neugierig das Boot betrachten. Bietet es Schutz? Spiel? Nahrung? Risiko? Früher sah man diese Wale hier so weit im Süden nicht. Man vermutet, die Erwärmung des Wassers treibt sie langsam immer weiter in Richtung Pol.

Nach Sonnenuntergang ziehen Wind und Nebel auf. Die Bark gewinnt an Geschwindigkeit und pflügt durch schemenhafte Wellen. Der Wettbewerb um die Sichtung des ersten Eisbergs hat begonnen, aber abgesehen vom Radar reisen wir jetzt blind. Nur ein einzelner zu spät bemerkter Eisblock in unserer Fahrrinne und es würde in unserer heilen Welt schnell nass und ungemütlich werden.

Noch dazu gurgeln die Wellen vor dem Einschlafen nur ganz knapp vom Kopf entfernt die Außenhaut entlang. Das alles hilft der Zuversicht nicht unbedingt. Ganz schnell wächst auf einmal das beklemmende Gefühl der Verletzlichkeit.

11.März, Drakestraße 2.Tag, irgendwo im Ozean
13.März, noch 90 Meilen bis zu den Südlichen Shetlandinseln