9.März, Leinen los und Beagle-Kanal
7 Uhr, Kaffeeduft durchströmt die Bark. In der Kälte des Morgens zünden die Motoren und blasen feine graue Schwaden aus dem Heck. Ohne Segel würde der Diesel an Bord nur für 20 Tage reichen. Zu wenig um uns auf der geplanten Route nach Kapstadt zu bringen. Doch als Reserve zum Wind bedeutet der Kraftstoff Wärme, Flexibilität und Sicherheit.
Gemächlich schiebt sich das Schiff aus dem Hafenbecken in den Beagle-Kanal und langsam fallen die Holzhäuser der südlichsten Stadt der Welt hinter uns zurück. Die ruhige See macht einen respektvollen Rundgang um die 3 Masten, Dutzende Segel und unzählige Seile leicht. Über 30 Meter, so hoch wie ein zehnstöckiges Haus, strecken sich die Masten empor. Auf schmalen Sprossen an den Seiten muss die feste Crew bei Wind und Wellen dort hinauf.
Je fünf rechteckige Segel, so gross wie Kinoleinwände, hängen an waagerechten Holzstämmen von beiden vorderen Masten herab. Erst diese Segel machen die Bark zu dem was sie ist: Ein traditioneller Rahsegler, wie er im Prinzip schon vor Jahrtausenden die beständigen Winde nutzte, welche den Globus umwehen. Je nach Notwendigkeit spannen sich mehr oder weniger dieser Segel im Wind.
Zusätzlich nutzen dreieckige Schratsegel jeden verbliebenen Zentimeter Luft über Bord. Über dem Bug, am Heck und zwischen allen Masten schließen sie in mehreren Etagen alle Lücken, welche die Rahsegel gelassen haben. Um schnell zu segeln, wird jeder Hauch von Wind gebraucht.
Von jedem dieser 30 Segel reichen teils drei, teils ein Dutzend Seile und Flaschenzüge an beiden Seiten auf die verschiedenen Decks des Schiffes herab. Mithilfe dieser Seile wird jedes Segel gesetzt, gespannt, in den Wind gedreht oder wieder eingeholt. In den nächsten Wochen wird es unsere größte Aufgabe sein, die Position der Segel und das Zusammenspiel ihrer Seile an Deck zu verstehen. Werden wir der festen Crew eine Hilfe oder eher eine gewaltige Belastung sein?
Dieser Tag im Beagle-Kanal zeigt sich von seiner schönsten Seite. Ein erster Wal rollt seinen Rücken neben dem Schiff an die Wasseroberfläche, während eine Gruppe Delfine den Bootsbug zum Spielen entdeckt.
Noch bis lang in den Abend taucht die flache Sonne das Ufer in ein mildes Licht. Doch schon hier fehlt ihr die Kraft um die Luft zu erwärmen. Wird uns 10 Breitengrade weiter südlich die Kälte quälen? War es zu optimistisch, alle „Ausrüstung“ auf einem Markt in Equador zu suchen? Waren 70 Dollar zu sparsam kalkuliert?