18. März, Hope Bay, argentinische Antarktis-Station Esperanza
Es ist die Ankunft im Land des ewigen Eises und der unglaublichen Extreme.
Antarktika – Kontinent der Extreme
Überzogen ist dieser Kontinent von einem gigantischen Eispanzer, größer als Europa, der mehr als zwei Drittel des gesamten Süßwassers der Erde gefangen hält. Im Zentrum des Kontinents bis zu 4800m dick, könnte sich ganz Europa mit seinen höchsten Bergen darin verstecken. Große Teile des Kontinents drückt das Gewicht des Eises 1000 Meter unter die Meeresoberfläche.
Was angesichts dieser Eismassen unvorstellbar erscheint:
Antarktika ist nicht nur der kälteste, sondern auch der windigste und trockenste Kontinent auf Erden. Zu kalt ist die Luft um Feuchtigkeit für Schnee oder Regen aufzunehmen. Weniger Niederschlag als in den meisten Wüsten fällt im Zentrum Antarktikas.
Viele Hunderttausende Jahre brauchte das Eis um seine heutige Dicke zu erreichen. Es ist der größte Tiefkühlschrank der Welt, der lange Teile unserer Erdgeschichte konserviert. Über 400.000 Jahre tief haben sich Forscher in diese Geschichte bereits vorangebohrt.
Irgendwann noch viel früher muss Antarktika allerdings ein tropisches Klima besessen haben. Zahlreiche Fossilienfunde von Farnen und Dinosauriern beweisen es. Damals als alle Kontinente dieser Erde noch vereint „Gondwana“ hießen.
die Station der Hoffnung – Esperanza
Aber keine noch so eindrucksvollen Fakten können den eigenen Anblick vor Ort ersetzen. Wenn auch nur am nördlichsten Zipfel, so setzen wir heute doch erstmals Fuß auf das Festland von Antarktika. Dank seines milden Klimas ist es der besucherfreundlichste Teil des kalten Kontinents.
Doch selbst hier am äußersten Zipfel liegen flache Gletscherhänge von links nach rechts soweit das Auge reicht. Rote und grüne Schleier kleiner Algen bevölkern das Eis. Direkt vor uns steigen zwei graue unnahbare Gipfel vom Wasser direkt 800 Meter in den Himmel empor.
Argentinien macht hier seinen Gebietsanspruch auf die Antarktis klar. Am Fuße der Berge am Strand steht für diesen Zweck ein kleines, leuchtend rotes Dorf. Hauptsächlich Soldaten betreiben hier seit über 60 Jahren eine Forschungsstation.
Forscher gibt es jedoch nur im hellen Sommer. Wenn diese im zeitigen Herbst nach Hause kehren, kommen stattdessen die Frauen und Kinder der Soldaten hinzu. Jeweils rund 60 Personen überwintern auf diese Weise in ewiger Dunkelheit. Früher wurden sogar schwangere Frauen zum Gebären eingeflogen, damit Argentinien in Zukunft „antarktische“ Einwohner vorweisen kann.
Viele dieser Stationen sind hervorragend auf Besucher vorbereitet. Keine Antarktis-Reise kommt ohne die Besichtigung einer der zahlreichen Stationen aus. Je nach Nationalität begrüßen die Bewohner die Gäste mit einem Kaffee, Kuchen oder Schnaps. Sie führen die Besucher durch die Stationen, erklären ihren Alltag und freuen sich einmal neue Gesichter zu sehen.
Heute werden wir hier mit Kaffee und Kuchen empfangen. Ein Souvenirshop versorgt uns mit den gleichen Merchandise-Artikeln wie überall. Aufkleber, Aufnäher, T-Shirts, Pullover und Jacken, welche die Embleme der Station tragen. Zu den selteneren Möglichkeiten gehört es, Postkarten und Briefe von hier in alle Welt zu verschicken. Niemand weiß genau, wann diese Post den Adressaten findet. Meist ist die eigene Reise dann längst vorbei.
Überraschend surren und blinken die mobilen Telefone. Nicht nur, dass es Mobilfunknetz und Satellitenfernsehen bis hierher geschafft haben, sondern auch ein frei zugängliches Wifi-Netz verbindet uns das erste Mal seit knapp zwei Wochen komfortabel mit der Außenwelt.
Und ganz plötzlich haben mitten im Eis, zwischen Pinguinen und Antarktisbewohnern die Nachrichten von zuhaus oberste Priorität.
die kalte Tragik von Nordenskjöld
Am Ausgang dieser malerischen Siedlung fällt der Blick auf niedrige, unbeholfene Mauern aus grauem Basalt. Es sind Überreste der fast vergessenen Tragik von Nordenskjöld.
Über 100 Jahre ist sie her diese Geschichte aus Überlebenswillen und unglaublichem Glück. Die „Antarctica“, ein stolzes Schiff, sollte die Expedition von Nordenskjöld nach einem Jahr der Forschung endlich wieder in die wärmere Heimat führen. Doch das ewige Eis verschlang das Schiff.
Verstreut in drei Gruppen, ohne Vorräte und ohne Nachricht voneinander kämpften die Teilnehmer einen kalten Winter, ein langes Jahr ums Überleben.
Hier in den flachen, engen, zugigen Mauern hausten drei von ihnen. Nur ein zurück gebliebenes Segel diente ihnen als dünnes Dach. Bei Frost, Nässe und Sturm zwangen sich die Männer zu überleben, zu jagen und die verschollenen Kollegen zu finden. Noch heute ist der Name dieser Bucht aus diesem Grunde „Hope Bay“.
Würde ein Schiff zur Rettung kommen? Wie könnte es sie in dieser schieren Unendlichkeit nur finden?